Regenpoesie

Der Regen rinnt schon tausend Jahr

Der Regen rinnt schon tausend Jahr,
Die Häuser sind voll Wasserspinnen,
Seekrebse nisten mir im Haar
Und Austern auf des Domes Zinnen.

Der Pfaff hier wurde eine Qualle,
Seepferdchen meine Nachbarin.
Der blonde Seestern streckt mir alle
Fünfhundert Fühler zärtlich hin.

Es ist so dunkel, kalt und feucht.
Das Wasser hat uns schon begraben.
Gib deinen warmen Mund – mich deucht,
Nichts bleibt uns als uns lieb zu haben.

(Klabund, Regen (1. Der Regen rinnt schon tausend Jahr), aus: Die Harfenjule, 1927, Online-Quelle)

 

Seestern | RegensucherinQuelle: Pixabay

 

 

Regenpoesie

Das Paradies ist ein Garten — Stachelbeermond

Das Paradies ist ein Garten.
Der Regen dort ist freundlich.
Verbünde dich mit ihm: Streichle alte Eichen.
Erweiche die Erde.
Sei Wolkentänzerin.
Verwandle dich im Sonnenschein.
Komm wieder.
Das Paradies ist ein Garten.
Der Regen dort ist freundlich.

Der Dienstag dichtet! Katha kritzelt hat diese Aktion ins Leben gerufen: Jeden Dienstag wird ein Gedicht aus eigener Herstellung […]

über Das Paradies ist ein Garten — Stachelbeermond

Bild und Text mit freundlicher Erlaubnis von Frau Stachelbeermond: Sagt selbst, ist das nicht zauberhafte Regenpoesie?

 

Regenpoesie

Regen

Der Regen geht als eine alte Frau
mit stiller Trauer durch das Land.
Ihr Haar ist feucht, ihr Mantel grau,
und manchmal hebt sie ihre Hand

und klopft verzagt an Fensterscheiben,
wo die Gardinen heimlich flüstern.
Das Mädchen muß im Hause bleiben
und ist doch grade heut so lebenslüstern!

Da packt der Wind die Alte bei den Haaren,
und ihre Tränen werden wilde Kleckse.
Verwegen läßt sie ihre Röcke fahren
und tanzt gespensterhaft wie eine Hexe!

(Wolfgang Borchert, Regen, aus: Laterne, Nacht und Sterne. Gedichte um Hamburg, 1946, Online-Quelle)

 

Regenspringen | RegensucherinQuelle: Photo by Zach Reiner on Unsplash

 

Regenpoesie

Der Regen wandert über den Fluß

Der Regen wandert über den Fluß
Und Wasser durchs Wasser waten muß.
Es ist als schwimmen die Ufer fort,
So triefend stehen die Berge dort.
Und Regen und Fluß durchs Land hingehen
Und können ihr eigenes Ende nicht sehen.
So wanderten Sehnsucht und Blut oft zusammen
Und alle Ufer überschwammen.

(Max Dauthendey, Der Regen wandert über den Fluß, aus: Insichversunkene Lieder im Laub, Quelle)

 

Wolke Regen Stadt | RegensucherinQuelle: Pixabay

 

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Regenpoesie

Regen

Die Sonne hat nur kurz das nasse Tal umschlungen,
Die Pappeln rauschen wieder, neckisch spielt der Wind
Des Baches Schwermut hat gar lang allein geklungen,
Der Wind ist pfiffiger als ein vergnügtes Kind.

Die Wolken wollen kommen. Alles wurde rauher,
Die blassen Pappeln rascheln wie bei einem Guß.
Die nassen Weiden faßt ein kalter Schauer,
Gewaltig saust die Luft, beinahe wie ein Fluß.

Nun soll der Regen kommen! Und es gieße wieder!
Der Sturm ist kraftbegabtes Lautgebraus,
Der Regen bringt die Rhythmen heller Silberlieder,
Die Pappeln wissen das und schlottern schon voraus.

Dem nassen Tal entwallen kalte Atlashüllen,
Und auch die Nebelhauche tauchen raschelnd auf.
Der Wind beginnt die Flur mit Wispern zu erfüllen,
Die Pappeln biegen sich, das Grau nimmt seinen Lauf.

(Theodor Däubler, Regen, aus: Das Sternenkind, Quelle)

Ich hatte bei „Irgendwas ist immer“ (wo sich das wesentlich bekanntere „Berauschter Abend“ aufhält) schon mal erzählt, dass ich erfreut feststellte, dass sich das überaus hübsche Insel-Bändchen, aus dem dieses Gedicht stammt, in meinem Gedichteregal befindet. Wirklich ein Schätzchen.

 

Däubler Regen | RegensucherinQuelle: ichmeinerselbst

 

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